Fehlerfrei


KEEP LOOKING FOR NEW TROUBLE. George Clooney, Schauspieler

Fehler gehören zum Leben dazu.
Und wir Frauen haben besonders viele davon.
Nur zugeben mögen wir sie nicht.
Und das hat einen ganz einfach Grund.

Angst weniger gut dazustehen.

Wir gehen in den Wald bräteln. Ich habe Fleisch aufgetaut. Es reicht für die ganze Familie.
Mein Mann ist schon um die Ecke und ausser Hörweite.
Mein Sohn kommt zu mir angestürmt. "Mami, Mami, nimmst du mir ein Würstchen mit?BIIIIITTTEEE."
Ja, warum eigentlich nicht, denke ich, und sage "Ja, ist gut", nehme ihm noch zusätzlich zu dem halben Rind ein Würstchen mit weil er das einfach lieber hat.
Schon bisschen viel, denke ich, aber ja, jetzt habe ich schon zugesagt.
Als wir in den Wald kommen und ich die Sachen auslege, runzelt mein Schatzi die Stirn. "Hast du für unseren Kleinen jetzt tatsächlich noch Würstchen aus dem Gefrierfach genommen?".
"Ja, warum nicht?" erwidere ich.
Mir jetzt ja nichts anmerken lassen, 
dass ich mich selbst nicht verstehe.
"Weil ich unserem Sohn gesagt habe, es gäbe heute Fleisch und sonst nichts anderes."
"Ohhh". mache ich. "Blicke meinen Sohn mit dem Stechblick an. Der kleine Kasper lacht laut heraus.
"Ich bekomme Würstchen, ich bekomme Würstchen."

Ich stecke plötzlich fest im Spiel von meinem Sohn aus dem es kein einfaches Entrinnen mehr gibt.
Ausspielen nennt man das. Fies. Und ich trampe leichtgläubig in die Falle.
Nun muss ich wohl die Misere ausbaden und versuche mich im pädagogischen Geschick:
- Komm, du kannst doch auch mit uns Fleisch essen. "Nein."
- Die kann ich dir auch noch morgen braten. "Nein."
- Du kannst doch wirklich jetzt mal logisch überlegen. "Nein".
Nein, nein, nein.
"Also gut, du isst zuerst Fleisch und wenn du dann noch Hunger hast, kannst du noch Würstchen haben", schlage ich vor. Und denke, dass er das sowieso niemals hinunter bringt. Denkste, Mami.
Nachdem er ein Doppeldecker Sandwich gegessen hat mit leckerem Fleisch schreit er nach Würschen.
Mein Mann rollt mit den Augen.
Mache ich jetzt den Fehler noch schlimmer?
Also gut, du isst zuerst ein Stück Brot, dann bekommst du Würstchen. 
Wieder Augen rollen und Kopf schütteln von der anderen Seite.
Ich hoffe, damit die Würstchen zu umgehen, weil er vorher satt wird.
Er isst das Brot und brätelt sich danach genüsslich das Würstchen.
Mein Mann schüttelt erneut den Kopf und ich merke, er kann wieder rein gar nichts nachempfinden. Das Herz einer Mutter. Buhuhuuuuu.
Sorry, ja klar, ich habe einen Fehler gemacht. Aber du auch.
"Ich habe es ihm schon versprochen. Und vor allem warum sagst du ihm nicht, dass er nicht nochmal mich zu fragen braucht?"
Wir schieben uns den Fehler hin und her zu.



Dann packe ich den kleinen Sohnemann, neige mich auf Augenhöhe, klappe den Zeigefinger auf, fuchtle ihm damit vor dem Gesicht herum und mache ihm klipp und klar, dass er uns nicht auszuspielen braucht, Wenn Papi nein sagt, ist auch bei Mami nein.
Ich blicke rüber zum Mann. "Sorry, du hast natürlich recht gehabt."
Und danach zum kleinen Mann. Nächstes Mal bin ich schlauer, pass nur auf kleiner Junge.
Und nage dann weiter genüsslich an meinem Brötchen.

Die Würstchengeschichte hat abgesehen von Übersättigung keine weiteren negativen Folgen. Aber einen grossen Vorteil für mich.
Ich erkenne wie mein Sohn tickt. Und für mich bedeutet es, daraus zu lernen und mir selbst gnädig zu sein.

Fehler sind der Pfeffer in der faden Suppe, 
die Ecke im grossen Kreis, 
den Kratzer am Diamanten.
Der offene Hosenschlitz der einen zum lächeln bringt, das unaufgeräumte verschlossene Prinzessinnenzimmer, den Frosch den man ungeküsst weiter quaken lässt.
Fehler sind nicht per se schlecht. Sie machen das Leben reicher und menschlicher.
Sie generieren Wachstum. Man sollte eigentlich jeden Tag Fehler machen. Ich plädiere für ein Mindestmass an Fehlern jeden Tag. Ein Soll welches wir erfüllen müssen. Dafür sollten wir leben und nicht dafür, Fehler zu vermeiden.


Es ist einfach das Prinzessinnenzimmer für immer abzuschliessen und den Schlüssel in den Turmgraben zu werfen.
Die Suppe auszuschütten.
Den Diamanten nicht mehr zu tragen.
Einfach den nächsten Frosch zu küssen.

Über Fehler beschämt zu blicken.
Sich selbst nicht zu verzeihen.
Andere zu meiden.
Sich nicht mehr zu getrauen über das eigene Versagen zu sprechen.

Vielleicht haben wir nicht alle so gut gelernt mit Fehler umzugehen.
Und möchten uns ins Bodenlose schämen.
Uns verkriechen.
Uns verunsichern lassen.
Andere meiden.
Andere ausschliessen.
Andere beleidigen.
Verantwortung von uns weisen.

Wie wäre es wenn du die Türe zum unaufgeräumten Turmzimmer weit offen stehen lässt?
Was wenn du den Diamant mit dem Kratzer stolz auf den Ring setzt und ihn trägst?
Was wäre wenn du den quakenden Frosch trotzdem küssen würdest?
Wenn du für die Fehler die du machst dankbar wirst?
Wenn du mutig ins Leben steigst mit dem Ziel möglichst viele Fehler zu machen?
Wenn du grosszügig mit den Fehlern deines Liebsten umgehst?

Das ist im ersten Moment abwegig zu denken.
Aber es ist doch so, und damit mache ich eine in den Stein gemeisselte Aussage von denen es wenige gibt:
Fehler sind so sicher wie der Tod. So logisch wie das kleine Einmaleins. So sicher wie die Erdanziehungskraft oder das nach dem Sonntag der Montag kommt.
Es gibt kein Ausweichen, kein Entrinnen. Also lernen wir besser schnellstmöglich einen guten Umgang damit.

Zur Einsicht kommen. Sich Kritik anhören. Ein "es könnte sein" einbauen. Aussagen auf Herz und Nieren prüfen. Um Verzeihung bitten im Falle des Falles. Das sollte man ruhig öfters mal sich vornehmen als nur an Weihnachten und Ostern. Ein ich "hab dich lieb" hinter her schicken.
Sich selbst verzeihen. An der Schraube etwas drehen und es nächstes Mal nochmals versuchen. Mit einer Freundin darüber quatschen und sich abreagieren.
Ein Bier öffnen und auf die eigenen Abgründe und Fehler anstossen. Sich freuen, dass man um eine Erfahrung reicher ist.

Es gibt kein Leben ohne Fehler.
Höchstens Menschen die nicht damit umgehen können.

Kommentare

HMS hat gesagt…
Fehler sind nicht gelungene Lösungsversuche, also: Hinfallen, Krone richten, Weitergehen!
Super Gedanken Eva. Nur bei der Umsetzung happert es bei mir! Mami

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