Söhne machen Mütter

Bereits während der Schwangerschaft wusste ich:
manomann,
das wird dieses Mal ganz anders. 
Jemand  kommt mit Pfeffer und Dynamit im Hintern angereist. Den Koffer voller Energie und Lebensdrang. Was zuerst eine Vorahnung war, wurde beim Ultraschall dann ehrfürchtige Gewissheit:
Es wird ein Junge.
Ohgott. 

Ich spürte es bereits und es bahnte sich an, mit unübersehbaren Anzeichen:
Der Bauch bis aufs Äußerste gespannt, übersät mit vielen Streifen wie ein zerfurchter Acker. Man hätte Steckrüben aussäen können. Die Form des Bauches, die einer grossen Atombombe. Die Bewegungen im Bauch, kein Erdbeben ist damit vergleichbar. Der Schrei bei der Geburt laut, fordernd und schrill.


Meine erste Reaktion ist nicht gerade lobenswert:
Was soll ich mit einem Jungen?
Und hintendrein die leise Frage an mich:
Komm ich mit einem Jungen überhaupt klar?

Mit einem Mädchen hatte ich ja bereits Erfahrung.
Und ich bin ja selbst ein Grosses.
Wirklich.
Ich hätte gut mit einem zweiten Mädchen leben können.

Frisuren, Puppen und Zickereien. 
Schminken, Shoppen und Tratschen.
Die zwei Mädchen hätten dann einander die Kleider nachgetragen. Sich stundenlang mit Barbies und Mandalas malen beschäftigen können. Und sie hätten die gleichen Interessen gehabt und sich beim Müeterlis spielen gefunden. Oder wir hätten sie im gleichen Zimmer lassen können bis zum ersten Schamhaar. Ja, zwei Mädchen hätten vieles vereinfacht.


Aber eben. Man kann es sich nicht aussuchen. Man muss es nehmen wie es kommt.

So wurde ich also unvorbereitet hineingeworfen in die Welt eines kleinen Energiebündels, welches wuchs und gedieh und mir das Herz weg sog. Mit jedem Schluck an meiner Brust wuchs meine Liebe und Hingabe als wäre das zwischen uns eine Liebespipline die schon seit Ewigkeiten unterbrochen Liebe durchpumpte. Erstaunlich, wer hätte das gedacht. Ich bin Mutter eines Jungen. Und ich kann einen Jungen lieben.
Morgen wird er sieben Jahre alt.

Und die Erkenntnis nach dieser Zeit:

Jungs sind cool.
Jungs haben Power.
Jungs brauchen zwei Schutzengel.
Jungs sind saumässig anstrengend.
Meiner jedenfalls.
Und sehr liebenswürdig.
Manchmal.
Oft.
Okay.
Meistens.

Aber sie sind definitiv anders.

Raufen, Protzen, Kräftemessen.

Jungs sind wild, nahrhaft und tanzen oft aus der Reihe. Sie fordern uns Mütter auf physische und psychische Weise. Sie interessieren sich für Traktoren, Bauarbeiter und Zahlen. Sie wollen alles wissen über Vulkane, Raketen und Sturmgewehre. Sie wünschen sich zum Geburtstag Nerfpistolen, Drohnen und Handgranaten. Sie spielen uns in Mühle und Schach an die Wand. Sie zählen alles Taschengeld siebenmal vor und rückwärts. Sie rasen mit dem Velo ohne Helm über die Kreuzung und lachen dabei einen als Angsthasen aus. Sie horten Süssigkeiten. Sie sind geborene Pyromane vor denen keine Kerze sicher ist. Und sind sie einmal wütend, so bringe dich in Sicherheit:
Sie zerren an der Hand, sie schlagen dich und  werfen mit Gegenständen um sich. Einmal ausser Kontrolle brauchen Mütter nachher einen Masseur und Therapeuten um sich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Sie sind nicht immer lieb und nett und brav. Sie können, wollen meistens aber nicht.

Jungs werden oft unterschätzt. 
Im guten Geschmack für Schönes.
Im Liebe geben.
In ihrer Fähigkeit sich zu verschenken.
Jungs erleben immer wieder
so wie du bist bist du nicht genug
zu wenig sensibel
zu wenig angepasst
zu wenig nett.


Und sie haben immer verschlissene Hosen. Sie lieben doofe Witze die keiner lustig findet und drücken ihr Lachen heraus. Sie können stundenlang das Hündchen spielen und auf allen Vieren herumkriechen und dabei hecheln, bellen und fressen wie ein Hund.
Sie ziehen gerne an ihrem "kleinen Freund", manchmal zum Entsetzen in aller Öffentlichkeit! Sie demontieren einem mit den kleinen Fingerchen den neuen Laptop. Sie hämmern, fingern und zerren an allem was nicht nitundnagelfest ist. Sie spielen so laut Flugzeuge im Garten, dass die Nachbarn reklamieren. Sie kicken und schlagen gedankenlos die schönen Blumenköpfe im Blumenbeet ab. Sie pinkeln heimlich an des Nachbarn Gartenzaun. Sie sind schwierige Esser, vor allem was Grünzeugs anbelangt und sind immer die Letzten die vom Tisch aufstehen.
Jungs sind durch und durch anstrengend.


Jungs sind sehr sensibel. Sie sind hilfsbereit.
Sie kennen wahre Freundschaft ohne Schnickschnack und Tratsch. Sie halten zu dir wie Pech und Schwefel. Sie lieben Spinnen und Käfer und retten sie sicher vor dem Staubsaugertod. Sie haben ein Herz für Babys und Sinn für Liebkosungen. Sie können sich stundenlang mit einem kaputten Radio beschäftigen und glauben an dessen Auferstehung auch wenn er wirklich nur noch zum Wegwerfen ist. Sie verzeihen gern.

Gibt es sowas wie eine Gebrauchsanweisung für Jungs?
Ja. Ich versuche es.

1 Jungs brauchen präsente Väter die mit ihnen Zeit verbringen. Sei es gamen, herumschrauben und kicken. Vorbilder die sie prägen.

2 Jungs brauchen Zärtlichkeiten, damit sie lernen sich zu spüren. Schmusen, knuddeln und am Arm kratzen ("chräbele").

3 Jungs dürften zart und lieb sein. Jungs dürfen auch wild und stark sein. Das sind keine Gegenteile die sich gegenseitig aushebeln.

4 Jungs müssen gefordert werden. Höher, weiter, besser. Das spornt an und gibt Erfolge was das Selbstbewusstsein stärkt.

5 Jungs brauchen Bäume, Dreck, Hammer und Nägel. Weniger Flachbildschirme. Dafür eher zweimal Auge zudrücken. Mehr erlauben. Geld auf die Seite legen für Kollateralschäden.

6 Jungs sollten Zuhause mithelfen.

7 Jungs dürfen sich auch schminken und die Fingernägel anmalen. Sie dürfen auch pink tragen. Das ist immerhin eine schöne Farbe...

8 Jungs dürfen weinen. Sie müssen nicht starke Indianer sein die keinen Schmerz kennen.

9 Jungs brauchen Mütter die für Schutz und Bewahrung beten. Oft und intensiv.

10 Jungs brauchen eine Gesellschaft die sie so sein lässt wie sie sind. Und Mütter die diesen Raum für sie verteidigen.

Ein Hoch auf Jungs.
Ein Hoch auf meinen Jungen.
Ein Hoch auf alle Mütter von Jungs. Ihr macht den wichtigsten Job überhaupt.


Kommentare

HMS hat gesagt…
Du hesch en ober—coole Boy! und mir en ober—coole, liebenswürdige, zuetrauliche, schatzige Enkel !!! 👍
Superschnucki73 hat gesagt…
Toll geschrieben, ich hatte auch so einen und er musste leider ohne papa aufwachsen und ich hab ihn trotzdem groß bekommen ;o) aber meine nerven manchmal ja ich kenne das. Heute ist er Pflegeleichter zwar immer noch ein Dickkopf und recht faul aber mit 26 ägert er damit dann seine Freundin

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