Geliebt in Eritrea!

Ich mag die meisten Menschen. 
Am Wohlsten fühle ich mich mit Menschen die ähnlich ticken wie ich. Rein äusserlich kann man das schnell abchecken. 
Wenn sie ähnlich aussehen wie ich, weiss ich, aha, ähnlicher Kulturkreis. Das könnte fusionieren. 
Aber ganz besonders spannend finde ich Menschen die äußerlich total anders aussehen wie ich.
Da gibt es immer ganz viel zu gucken für mich. (Natürlich mache ich das versteckt.)

Bananenfüsse 

Gegensätze.
Kopftuch statt offene Haare.
Rock statt Hose.
Schwarze Kruselihaare statt blonde Fäden. Da würde ich so gerne reinfassen. 
Schokolade statt blass bleiche Haut.
Kuderwelsch statt Schweizerdeutsch.
Chilli statt Käse.

Das zieht mich immer wieder in den Bann.

Ich oute mich, dass ich 
- verstohlen im Migros die verhüllten Frauen mit den langen Kleider beim Durchwühlen der Aktionssachen beobachte
- mich dann jeweils auch frage, ob sie nicht wahnsinnig unter dem Kopftuch schwitzen?
- schmunzeln muss, wenn ich die Afrikaner laut telefonierend bis ans Ende des Zuges hören kann
- argwöhnisch fremdländisches Essen teste 
- wegen starker Ausdünstung im Bus wegen der Person neben mir nur noch durch den Mund atme

So spannend und faszinierend zugleich. Und doch auch so herausfordernd. 
Denn ich kenne auch die anderen Seiten. Davon lese ich die letze Zeit auch immer wieder in der Zeitung. Von schlecht integrierten Flüchtlingen aus Eritrea. Von Menschen die in der Sozialhilfe ankommen und dort bleiben. Von Stimmen die austeilen "Schmarotzer" und Landesverweis fordern. Von Fragen über Handy und Kosten und Ausländer. Von dem Aufruf endlich echte Flüchtlinge von unechten zu unterscheiden. 

Ich mag heute nicht Meinungen kehren. Ich mag nicht argumentieren. 
Das kann ich auch nicht gut. 

Ich mag mich nur in die Beziehung schicken, denn dort weiss ich, kann ICH etwas bewirken. Und mich dabei selbst verändern lassen. 
Dies habe ich in den letzten zwei Jahren gelernt.


Ohrenring Eritrea und Schweiz
Ein Jugendlicher hat sich an Weihnachten diesen Ohrenstecker extra gekauft
Ist das nicht herzig💕

So war ich gestern wieder einmal auf Besuch an meinem ehemaligen Arbeitsplatz wo ich bis letzten Sommer minderjährige Asylsuchende in ihrem Zuhause zusammen mit einem Team betreut habe. 
Sie kommen aus Afghanistan, aus Somalia, aus Syrien und unter anderem auch aus Eritrea. 


"Frau Eva", wie sie mich immer liebevoll nennen (das "Frau" versuchte ich ihnen auszutreiben, aber leider erfolglos), versucht dann jeweils zwei Dinge richtig zu tun:

Augen auf!

Ohren auf!


Nase auf----

Das Zusammensein mit ihnen ist für mich wie Auswandern. Wenigstens für eine Stunde.
Meiner Realität entfliehen und mich beflügeln lassen vom Anders sein. Mich inspirieren lassen. Alle Gerüche wahrnehmen.
Wiedersehensfreude. Händedrücken. Lachen. Schulterklopfen. Komplimente. Strahlen.

Das Lachen ist echt.
Die Herzlichkeit ist spürbar.
Die Aufrichtigkeit fühlbar.
Die Begegnungen sind voller Freude und Interesse an mir.

Aber mich auch konfrontieren lassen vom harten Leben. Die Einrichtung der Zimmer ist dürftig. Die Integration läuft schleppend. Die Hemmung ist gross. Das Deutsch stagniert.
Die Geschichte macht sprachlos. Die Familie zurück gelassen, einfach nur schmerzvoll. Die Familie vertrösten. Mit der Schuld leben, dass man kein Geld verdienen kann. Das man lernen muss. Deutsch zuerst. Dann den Rest. Die Jahre werden ins Land ziehen bis das mit der Arbeit etwas wird. Das steigert die Schuldgefühle und drückt auf der Seele. Oft unermesslich. So spüre ich das.

Ich finde mich von meinem feinen beschaulichen Leben plötzlich auf dem kalten Boden der Realität wieder. Diese Begegnungen machen mein Leben besser. Rücken es ins richtige Licht. Mein Besitz und Wohlstand in das richtige Verhältnis.

Und ich erlebe Liebe. "Frau Eva, kommen sie essen."




Viel zu sagen über die Zustände gibt es nicht. 
Das einzige was wir tun können ist diesen Menschen zuzuhören und sie anzuschauen und zu lächeln. 


Schauen wir bei Jesus: was hat er jeweils gemacht?

Er hat die Fremden wahrgenommen.
Er hat die Menschen gehört.
Er hat sie angesprochen. Und mit ihnen gegessen.
Das ist wirklich nicht schwer. 

Wir haben in Sachen Integration noch viel Arbeit vor uns. Räumen wir mit den Vorurteilen auf. Bauen wir doch lieber Brücken. Suchen wir die Begegnung. Wir alle. 









Kommentare

Conny Ch. hat gesagt…
Meega, trifft es auf den Punkt.
Conny Ch. hat gesagt…
Meega trifft es genau auf den Punkt

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