Totschlag

Es gibt Dinge im Leben die sind absolut überflüssig.

Armbanduhren, wenn es doch überall Kirchentürme, Handys und Backofenuhren gibt.
Botox. Ich ziehe die Natürlichkeit der Entenlippe vor.
Sparschäler. Normale Schäler tun es auch.
Plastikverpackungen.
Ehestreit am Hochzeitstag.
Prämenstruelles Syndrom.
Lange Schulferien.
Staub der sich jede Woche wieder neu absetzt.
Klebrig fettige Kinderhände.
Und
Eine Fliege im Schlafzimmer.

So erwachte ich letzthin frühmorgens im Bett. Es war noch dunkel im Zimmer. Draussen dämmerte es langsam.
Als Silhouette zeichnete sich neben mir unter der Decke der noch schlafende Mann ab.
Es war alles ruhig im Haus. Eigentlich hätte ich gerne weiter geschlafen. Müde war ich jedenfalls noch.
Doch ein leises Kitzeln hat mich geweckt.
Da war es wieder.
Mal auf dem Arm, mal am Zeh.
Eine Fliege.
Ich zog die Bettdecke über den Kopf. Lang hielt ich es nicht aus. Auch nur mit dem Nasenspitz der an die Luft gelangte, wurde es mir schnell zu heiss. Ich drehte mich auf den Rücken und versuchte es einfach zu ignorieren. Da auf dem Gesicht.
Ich fluchte leise.

Wie ich es auch anstellte, sie lies mir keine Ruhe.
Wild entschlossen dem ein Ende zu bereiten, stieg ich aus dem Bett und holte unten im Wohnzimmer die Fliegenklatsche.
Ich wanderte um das Bett herum und wedelte, damit sich das Viech endlich zeigen würde. Doch nichts. Wie vom Erdboden verschluckt. Ich legte mich wieder genervt ins Bett.
Da war es wieder.
Jetzt reichts. Ich wartete regungslos hockend auf dem Bettrand.
Und plötzlich sah ich sie. Am Vorhang. Genüsslich rieb sie ihre beiden Vorderbeine an einander. Jetzt ist aber fertig lustig.
Mit einem harten Schlag holte ich das Ding auf den Boden. Zack.
Zwei Augen sahen mich von der Seite belustigt an. " Was machsch du eigentlich?"
"Flüge-z -tot-chlopfe." Aja. Schlaf weiter.
Tot. So liegt sie da, regungslos. Ich steige wieder ins Bett. Mit schlafen ist nicht mehr viel zu wollen. Als ich dann eine Stunde aufstehe und Richtung Zimmertür laufe, sehe ich sie plötzlich.
Das gibts doch gar nicht, denke ich. Da kriecht sie wieder. Munter auf dem Boden umher. Auferstanden von den Toten. So, nun mach ich aber all für alle mal Schluss mit dir. Du hast deinen Spass mit mir gehabt. Und klopf sie endgültig tot. Erledigt. Beendet.
Nun freue ich mich auf meinen Morgenkaffee.

Bildnachweis


Fliegen sind absolut überflüssig. Man sollte sie nicht zu lange leben lassen, denn die Stimmung wird nicht besser. Lass sie dich nicht austricksen.
Auch nicht dieses andere undurchsichtige, jedoch nicht weniger überflüssige und lästige Ungestüm.

Der unbarmherzige Selbstzweifel.

Den ganzen Montagmorgen wartete ich auf einen Anruf. Ob ich die Zusage für die Stelle bekomme oder nicht. Es nagte den ganzen Morgen an mir.
Irgendwann kam der Anruf.
Ich bekam eine Absage.
Es nagte nicht mehr an mir. Es wurde zur Gewissheit.
Sie wollen mich nicht.

Im ersten Moment war ich maßlos enttäuscht.
Ich konnte kaum mehr Staubsaugen oder Staubwedeln oder was man sonst auch immer mit Staub macht. Ich lief nur orientierungslos in der Wohnung umher, drehte mit dem Staubsauger immer die gleiche Runde. Gefangen vom Gedanken was ich nun weiter tun soll.
Schon wieder nichts.

Beim Teigwaren kochen um viertel vor 12 liefen die Tränen. Ich schaute einfach in den dampfenden Kochtopf und meine salzigen Tränen vermischten sich mit dem Dampf. Ich blickte nicht mehr durch.
Die Teigwaren sprudeln. Ich habe gar nicht gewusst, dass Teigwaren beim Kochen so gelb werden. Aber ich vermute sie waren schlussendlich nicht al-dente. Weil momentan gar nichts al-dente ist.
Es wollte sich den ganzen Tag  nicht mehr einrenken in meinem Herzen.
Ich hatte kaum Hunger, schaute für meinen zwei Kids dass es ihnen gut ging und schickte sie nachmittags wieder in die Schule. Die Bedrückung kam zurück. Die Schwere. Die Last.
Am liebsten wollte ich mich verkriechen.
Ich habe doch mir eingeredet, ich nehme wie es kommt. Warum kann ich es nun nicht locker wegstecke?

Ich brauchte irgendeine Wunderspritze die mich befreien konnte.

Gottseidank gibt es diesen tollen Song.
Shake It off von Taylor Swift.

Shake it Off von Taylor Swift

Ich drehte dabei die Musik so laut auf, dass die Wände wackelten. Dann tanzte ich wild in der Wohnung rum und schüttelte alles von mir ab. Tanzte alles aus mir raus. Es musste raus. Raus damit. Raus aus meinem Leben. Weg damit.

Für einen Moment hatte ich Ruhe. Freude kehrte zurück, mit der zaghaften Zuversicht im Schlepptau.

Doch wie eine lästige Fliege kam die Unruhe immer wieder und setzte sich einmal in meinem Selbstwert, dann wieder in meinen Gefühlen und dann wieder in  meinen Gehirn fest. Gedanken die einfach so schwer zu kontrollieren sind. Auch wildes Umherwedeln nützt dabei nichts. Es sei denn du klopfst sie tot.



Die folgenden Tage waren schwere Tage.
Gebet half teilweise. Gespräche auch. Vertrauen kam und ging.
Lustlosigkeit zeigte sich beim Kochen, Beim Spielen war ich unkonzentriert. In den Gesprächen unnahbar. Im Gebet sprachlos.

Aber irgendwann kam die Erkenntnis. Dann drang es leise zu mir durch und hält an bis jetzt.
Ich muss das nicht akzeptieren. Ich muss es auch nicht annehmen.
Etwas versucht mich hier zu knechten und vor den Karren zu spannen.
Die Leistung etwas sein zu müssen, etwas vorweisen zu müssen.
Ich bin eine Frau mit Absage. Aber auch jemand mit Zukunft.

Es ist einfach befreiend, dass ich wissen darf, dass egal was passiert, es einen Sinn und seine Richtigkeit hat. Ich muss nicht hadern mit dem was nicht ist.
Ich muss überflüssigen Ballast nicht dulden.
Ich muss der Fliege nicht erlauben mich zu nerven.
Es gibt einen Tauschort. Ich kann es dort abladen. Dem Kreuz.
Und ich darf Platz machen für etwas was Freude macht.
Ich klopf sie tot. Die Angst und ...
....nehme mein Leben in die Hand.

Kommentare

Unknown hat gesagt…
Sehr gut! Danke für deine Offenheit.

Lieblingsposts