Drachenbändiger

Wenn der Vulkan speit, das Gewitter heranzieht und der Drache aus der Höhle kriecht,

bringt sich sicherheitshalber jedes potentielle Opfer außer Reichweite welches in meiner näheren Umgebung lebt und liebt.

Nach dem Motto:                                                 Rette sich wer kann. 

Die Kinder verschwinden auf den Spielplatz.
Die Vermieterin in den Garten.
Mein Mann in die Jogginghose.





Es vergeht einige Zeit und ich sitze in der Höhle. Siede vor mich hin. Der Überdruck steigt.
Immer mehr Dinge machen sich breit in meinen Herzen, worüber ich mich aufregen kann.
Es soll mir jetzt ja niemanden über den Weg laufen.

In solchen Momenten kommt es mir vor, als würden sich der Verstand von mir ablösen.
Die Sachlichkeit verabschiedet sich. Die Gefühle übernehmen.

Tschüss Klarheit. Tschüss Besonnenheit. Tschüss Vernunft.
Hallo Gehässigkeit. Hallo Unfrieden. Hallo Kälte.

Meistens bleibt nur genau eine Person zurück die dem Überdruckventil einmal gehörig eine verpasst. Einer der sich dem Drachen in mir stellt.

Mein treuster Begleiter im Leben.

Und der kommt jetzt gerade unten wieder zur Tür hinein. Die verschwitzten Sportkleider fliegen auf den Boden.  Es riecht streng. Für mich eine bodenlose Frechheit derart die Luft zu verpesten und mir dann auch noch die Wäsche hinzuknallen. Das ist doch das gefundene Fressen für den Drachen.

Ich lege los. Lautstark. Über die Nachlässigkeit. Über die Ignoranz mir die Kleider einfach vor die Füsse zu werfen.
1001 Dinge kommen mir auch noch in den Sinn. Die schmutzigen Schuhe. Der übervolle Abfalleimer. Die leeren Velopneus. Das Ghetto im Wohnzimmer.
Aus meinen Augen blitzen weisse Blitze, zwischen meinen Lippen zischt es.

Er blickt mich an und geht kommentarlos unter die Dusche.

Relaxt und frisch geduscht lässt es sich dem speienden Hausdrachen besser entgegen stellen.



Die Badezimmertür geht auf. Breitbeinig stellt er sich vor mich hin.

So jetzt reden wir. 
Was ist eigentlich heute nur los mit dir.

Ich rolle mit den Augen. Atme schwer. Jetzt wirds nicht lustig.

Was raus will, muss raus. Unzensiert. Unreflektiert. Ungebändigt.
Alles kommt zu Tage was sich bei mir seit Wochen angestaut hat.
Behauptungen zählen nicht. Nur Fakten.

Auf der Relevantswaage wird dann schnell klar, dass vielleicht von den 1000 Dingen die in mir drinnen brodeln schlussendlich nur zwei davon seinen Fragen standhalten können.

Ein Gespräch sieht dann ungefähr so aus:


Ich: "Ich finde einfach zurzeit dass du mich nicht unterstützt. Du denkst immer nur an dich." (im vorwurfsvollen Ton)
Er: "Waas. Das stimmt nicht. Sag mir doch , wo ich in dich in letzter Zeit nicht unterstützt habe."
Ich: "Hmmm, das ist soooo oft vorgekommen. "(ein Beispiel fällt mir ein, liegt aber bereits zwei Monate zurück. ) 
Angestrengt grabe ich in der Fehlerkartei. Ich grummle vor mich hin. 
Ein - Zwei Minuten vergehen. Mir fällt nichts mehr ein. 
Ich: "Ich fühle mich einfach so. Und wenn ich mich von dir vernachlässigt fühle, ist das so. Punkt "
Er: "Aber ich habe doch, .... und dann habe ich ....... und so war ich auch für dich da."
Ich: "Hmmmm" ( jetzt müsste ich eigentlich sagen, dass er Recht hat aber so schnell gebe ich nicht auf.)

Das Gespräch verläuft gar nicht zu meiner Zufriedenheit. 
Wo ich mich vorher so im Recht fühlte, bemerke ich plötzlich wie dürftig meine Rechtslage für diese Anklage ist. 
Ich blicke zur Zimmerdecke. Gott jetzt um Beistand zu bitten ist fast geschmacklos. Also lasse ich es. Ich wühle mich schweigend durch mein Gewühl an Emotionen. Versuche irgendwo das Fadenende zu finden, warum ich heute so unzufrieden bin. Was mich unglücklich macht. Was zu einem Drachen.

Blicke auf in die Augen meines Liebsten. Sehe Liebe. Entwaffnend.
Seine Hand streift die meine.
Gehen wir zusammen nach oben, ins Bett? fragt er grinsend.
"Gehts noch." Ich hole theatralisch mit der Hand aus.

Das Eis bricht. Die Kälte schwindet. Ich atme auf.
Sehe plötzlich den Ausweg aus diesem elenden Herumgezische welches das Klima verpestet.

"Entschuldigung, Schatz. Ich glaube, ich brauche einfach nur mal ein paar Minuten für mich alleine. Ich gehe raus eine Runde spazieren."

Endlich habe ich den Ausgang erwischt. Exit.
Licht. Wärme. Beide umarmen mich.
"Ja, geh ruhig.
Aber ins Bett gehen wir dann später, gäll."
Der Schelm.
Das Lächeln kommt zurück während ich mir die Schnürsenkel zubinde.

Die Luft ist raus. Der Drache verschwunden. Das Kätzchen handzahm.
Gottseidank habe ich einen solchen Drachenbändiger Zuhause.





Kommentare

Schmidi hat gesagt…
Ja, du hesch en guete Drachebändiger dihei... Glückwunsch!
Eva Wolf hat gesagt…
Ja, mit Muet, Panzer und Schild, schlatt er sich dure.
HMS hat gesagt…
Eimal meh zeigt sich,wie guet dass es tuet, dass mer cha lüfte, das heisst: die schlechti Luft abloh und dureschnuufe und früschi Luft ine zieh! Ihr möcheds guet, Eva!
Mami
Eva Wolf hat gesagt…
Grosse Schamtz a mis grosse Vorbild

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